Gender im Schafspelz (Fh 2012/2)

von Monika Bunte

„Wenn wir es einmal zulassen, dass die Wörter ihrer Inhalte beraubt werden, so kann es nicht mehr lange dauern, bis wir unserer Freiheit beraubt werden.“
Konfuzius, 2500 v. Chr.

Vor mir liegt der Ankündigungstext einer Tagung der Technischen Universität Darmstadt. Es sollen mehr Mädchen und junge Frauen für die MINT-Fächer gewonnen werden.(1) Die Gender-Projekte an der TU Darmstadt stellen sich vor: „die Gender-Sensibilisierung im Unterricht“, „die Gender Toolbox (der Gender-Werkzeugkoffer)“, „Gender-Mainstreaming in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern“, „gendersensibler Unterricht“, „gendersensible Lehrkräfte“, „genderstereotypes Studien- und Berufswahlverhalten“ etc. Wenn man eine nur ungefähre Vorstellung von „Gender“ hat, liest sich das alles ganz vernünftig. Aber seitdem ich mehr über Gender weiß, ist mir das alles höchst verdächtig.

Wenn wir das deutsche Wort „Geschlecht“ ins Englische übersetzen wollen, haben wir die Wahl zwischen zwei Wörtern: „Sex“ steht für das biologische, das „angeborene“ Geschlecht, männlich/weiblich, das normalerweise bei der Geburt anhand der äußeren Geschlechtsmerkmale festgestellt wird und identitätsstiftend ist. Daneben gibt es die Vokabel „Gender“, die diese Geschlechtsidentität aufhebt. Gender umfasst die sozialen Rollen, die in ihrer Gesamtheit das soziale Verhalten eines Mannes oder einer Frau bestimmen. Gender wird ganz überwiegend durch Erziehung, Verordnung und Einfluss des sozialen Umfelds erworben. Die sozialen Rollen sind nach Ansicht der Gender-Feministinnen ein gesellschaftliches Konstrukt und können dementsprechend auch dekonstruiert werden. Demnach gäbe es nicht nur zwei Geschlechter, sondern mindes­tens sechs Gender: Mann und Frau, jeweils heterosexuell, homo- bzw. bi- und transsexuell. Die Dekonstruktion zielt auf Ehe, Familie, Mutter‑ und Vaterschaft.

Im Laufe der Zeit hatten die Frauen angefangen, sich gegen die ihnen im Patriarchat als untergeordnet zugewiesene Rolle zu wehren. Sie wollten selbstbestimmt leben. Das waren die Anfänge von Emanzipation und Feminismus. Und das Ende ist noch nicht abzusehen.

Aber Vorsicht! Es gibt nicht d e n Feminismus!
– Der Feminismus, der seit der ersten Frauenbewegung den Frauen die verschiedensten Berufsfelder öffnete, beließ es dabei, dass sie vom biologischen Geschlecht her Frauen sind und Frauen bleiben.
– Der Feminismus, für den unser Verband seit über 30 Jahren kämpft, schließt die im sozialen Gefüge unentbehrliche Rolle der Familienfrau/ des Familienmannes in den Gleichberechtigungsanspruch mit ein. Durch die angemessene Honorierung auch der „reproduktiven“ Arbeit sind Familien- und Erwerbsarbeit als gleichwertig anzuerkennen. Die Mutter/ der Vater, die die Familienarbeit leistet, erreicht so ihre/seine persönliche Existenzsicherung und Unabhängigkeit.
– Aber jetzt kommt der „Egalitätsfeminismus“ (Gender-Feminismus). Er beruft sich auf seine Urgroßtante Simone de Beauvoir und ihren berühmten Satz: „Wir werden nicht als Frauen geboren, wir werden dazu gemacht.“
– Der Gender-Feminismus ist als Programm „Mainstream“ also eine Hauptströmung, nach der sich die gesamte Gesellschaft auszurichten hat und die sie in allen Bereichen durchdringt. Doch „über das, was die Gender-Perspektive will, gibt es keine offene Diskussion. Sie kommt nicht als großes Schiff daher, obwohl sie doch in allen politischen und öffentlichen Programmen verankert werden soll, sondern wie ein U-Boot, das keiner genau kennen soll. Die Strategie der neuen Ideologie heißt: Die Bedeutung von Worten verändern.“(2)

Gender verschafft sich auch ein neues Arbeitsplatzsegment: Keine Universität ohne Gender Studies. Gender-Fachstellen schießen wie Pilze aus dem Boden. Es gibt Gender-Training, -Coaching, -Moderation, -Organisationsentwicklung, -Evaluierung usw. Beispielhaft ist das Gender-Kompetenz-Zentrum an der Humboldt-Universität in Berlin.(3)
Während Lehrstühle und Finanzmittel in anderen Fächern möglichst eingespart werden, wurden in Deutschland seit 1997 dreißig neue Lehrstühle für Gender-Studies eingerichtet, allein 2011 waren es sechs. Insgesamt gibt es davon 62, nicht gerechnet die zahlreichen fächerübergreifenden Ableger zu diesem Thema in anderen Disziplinen/ Instituten(4). Nach Lage der Dinge ist davon auszugehen, dass alle dort Studierenden ihre Ausbildung mit der Erkenntnis abschließen, dass Mann und Frau gleich und deshalb beliebig austauschbar sind.

Ich weiß noch, wie ich mich Ende der 1990er Jahre gefreut habe, als es „Gender-Budgeting“ als neue Vokabel gab. Alle Positionen der öffentlichen Haushalte bei Bund, Ländern und Kommunen sollten darauf abgeklopft werden, ob sie im gleichen Ausmaß Frauen wie Männern zugute kämen. Bei der Sport-Förderung zum Beispiel wäre dann jeweils zu fragen: Werden Mädchen und Frauen im gleichen Maß gefördert wie Jungen/ Männer?

In der jüngsten Zeit publizieren gehäuft Fachleute ihre Ergebnisse der Hirnforschung, die die genetisch bedingten Unterscheidungsmerkmale der Begabungen oder im Sozialverhalten von Männern und Frauen zum Gegenstand haben. Niemand gibt sich dabei die Blöße zu behaupten, männliche und weibliche Gehirne seien „gleich“. Auch wenn es Frauen gibt, die systematischer denken als manche Männer, und auch wenn es Männer gibt, die mit mehr Empathie begabt sind als manche Frau, so ist die Norm doch eindeutig zuzuordnen. Eine Ideologie, die für beide Geschlechter „Gleichheit“ behauptet, damit aber nicht Gleichwertigkeit meint, sondern ganz offenbar die völlige Abwertung des Weiblichen in seiner sozialen Funktion betreibt, kann nur in eine selbstzerstörerische Sackgasse führen.

Fußnoten:
(1) Unter der Überschrift: „Sollen wir den Zahlen jetzt Röckchen anziehen?! Wie lassen sich die Studien- und Berufswahlperspektiven junger Frauen erweitern.“ fand am 10. und 11. Februar 2012 eine LehrerInnen-Fachtagung an der Technischen Universität Darmstadt statt. Es geht um das G-MINT-Projekt „Gendersensibilisierung im Unterricht – Verbesserung der Unterrichtsqualität“. Kooperationspartner sind die Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, Referat IV (HLZ) und das Amt für Lehrerbildung (AfL).
Unter „MINT“ werden die Unterrichtsfächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zusammengefasst.
(2) Christl Ruth Vonholdt: Die Gender Agenda, Teil I. Eine Zusammenfassung aus dem Buch „The Gender Agenda“ von Dale O“Leary. Erschienen in: Bulletin DIJG, Frühjahr 2007, Nr. 13, Die Gender Agenda – Teil I, S. 4-17. Das Zitat bezieht sich auf die Online-Veröffentlichung unter www.dijg.de/gender-mainstreaming/dale-o-leary-agenda-konzept-hintergrund/
(3) Pressemitteilung des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vom 27.10.2003: „GenderKompetenzZentrum geht an den Start Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanzierte Zentrum soll die Einführung von Gender Mainstreaming in alle Bereiche der Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung unterstützen. Es soll beraten, Forschung initiieren und koordinieren, Wissen bündeln und Expertinnen und Experten ausbilden.“
Quelle: www.pressrelations.de
(4) DIE ZEIT 2/2012, S. 57

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