Totschlagargument „Neiddebatte“ (Fh 2008/1)

von Wiltraud Beckenbach

Es hat schon einen gewissen Beigeschmack, wenn sich unsere Parlamentarier im Rahmen des Gesetzes quasi als Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugleich kräftig ihre Bezüge erhöhen und für ihr Alter vorsorgen, gleichzeitig aber unschöne Endlosdebatten über Mindestlöhne und Mini-Erhöhungen bei der Rente führen. Kritik daran wird gern als Neiddiskussion bezeichnet. Dabei geht es um Verteilungsgerechtigkeit.

Zukünftig liegt das Renteneinstiegsalter für Parlamentarier nach 8 Jahren Bundestag bei 67 Jahren. Allerdings besteht bereits heute die Möglichkeit, für jedes weitere Jahr im Parlament bis zum 18. Jahr ein Jahr früher in Pension gehen zu können. Statt 3 Prozent sollen nur noch 2,5 Prozent der Diäten von derzeit 7.009 € (ab 2008 7.339 und ab 2009 7.668 €) monatlich Anrechnung finden. Dieser Anspruch entsteht dann aber schon ab dem ersten Jahr im Parlament. Das sind immerhin 183,47 € im Monat.

Dabei müssen wir eigentlich nicht um die Altersabsicherung unserer Abgeordneten bangen. Schon heute besteht auf Kosten der Steuerzahler die Regelung der Versorgungsabfindung auf Antrag, d.h. der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zum Höchstbetrag (derzeit 1.044,75 €) + 20 Prozent. Das entspricht einer monatlichen Rente von 67,34 €.
Eine Mutter erhält für die Erziehung eines Kindes, wenn es vor 1992 geboren ist, für ein Jahr 26,27 €, ist es danach geboren, für drei Jahre 78,81 € monatlich als Rente. Dieser Betrag setzt sich aus 100 Prozent eines Beitragsdurchschnitts aller Rentenversicherten zusammen. Außerdem muss eine Mindestversicherungszeit von fünf Jahren vorliegen, bevor überhaupt eine Rente gezahlt wird. Derzeit kann ein Abgeordneter nach 23 Jahren im Parlament durchaus eine Rente in Höhe von 4.900 € beziehen. Sie liegt bei Kombination mit Ansprüchen aus anderen Ämtern auch höher. Demnach muss eine Mutter 185 bzw. 62 Kinder großziehen, bevor sie die gleiche Rente bekommt.

Ein ehemaliger Minister bekommt laut Bund der Steuerzahler bereits nach zwei Jahren ca. 2.000 € Pension. Dafür müsse ein Durchschnittsverdiener 75 Jahre lang erwerbstätig sein. Noch interessanter wird es bei der Kombination von Abgeordneten- und Ministeramt. Ein 36-jähriger Staatsminister kann durchaus eine Pension von 4.500 € erwarten. Hans Eichel hatte sogar schon im Jahr 2004 mit 60 Jahren Anrecht auf 11.635 € (HNA 23.7.04). Wer als NormalbürgerIn eine solche Altersversorgung haben möchte, hätte schon in der Renaissance mit der Zahlung anfangen müssen, so der Bund der Steuerzahler.

Bundeskanzler erhalten auch nach ihrer Amtszeit quasi als Staatspraxis – es besteht keine exakte rechtliche Grundlage – ein Büro gestellt. Die Sachausstattung für jeden Altkanzler betrug im Jahr 2005 nach Ausführungen des Einzelplans 04 des Bundeshaushalts für „Aufwendungen für das Kanzleramt“ 36,05 Mio. €. Daraus werden zwei Stellen der Besoldungsgruppe B 3 (Grundgehalt 6.057 €) und eine Stelle nach Angestelltentarif bezahlt. Zusätzlich sind Dienstwagen mit Fahrer und Personenschutz selbstverständlich (HNA 25.3.06). Gemäß Presse- und Informationsamt der Bundesregierung resultiert der Anspruch aus einem Bundestagsbeschluss der Sechzigerjahre, und jedes Jahr wird dieser Anspruch im Haushalt neu genehmigt. Angeblich haben diese Haushaltspositionen einen „kw-Vermerk“ (kann wegfallen). Fragt sich nur, wann das der Fall sein wird. Für ehemalige Bundespräsidenten gelten übrigens ähnliche Regelungen.
Während im neuen Unterhaltsrecht Frauen nach drei Jahren Kindererziehung keinen Unterhaltsanspruch mehr haben und sie mit dem Hinweis auf nacheheliche Eigenverantwortung zusätzlich zur Kindererziehung auf Erwerbstätigkeit verwiesen werden, sorgt unser Parlament bei sich selbst für immer neue Ausschaltung von Risikofaktoren. So sieht dort die Eigenverantwortung aus.

Wem sind unsere VolksvertreterInnen per Amtseid verpflichtet, dem Gewissen und dem Volk oder der Wirtschaft und sich selbst?

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