Ausgabe 4/2004: Konferenz der Landesfrauenräte

Langfassung eines Beitrages von Wiltraud Beckenbach.
Geplanter Druck in Fh 2004/04

Im Rahmen meiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied des Landesfrauenrates RLP nahm ich
vom 10. bis 12. Sept. 2004 an der Konferenz der Landesfrauenräte (Zusammenschluss aller Landesfrauenräte in Deutschland) in Wiesbaden teil.
Die damit verbundene Fachtagung zum Thema "Die Reorganisation der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland und Europa: Chancen und Risiken" sollte aus Sicht der verschiedenen Referentinnen Informationen zum Stand der Reformprozesse in Deutschland und Europa geben.

Silke Lautenschläger, Sozialministerin von Hessen, fasste in ihrem Beitrag überwiegend statistische Werte zur Rentenversicherung und Frauenerwerbstätigkeit zusammen. Besonders geschockt scheint die Politik von der Gebärverweigerung der Akademikerinnen zu sein. Dieser Punkt wurde von ihr mehrfach erwähnt. Meine Kritik, ob hier nicht eine Berufsgruppe besonders hervorgehoben werde, es gäbe noch viele andere ebenso wichtige Berufe, wollte sie nicht gelten lassen. Auch blieb die Frage, wo denn die vielen bezahlten Arbeitsplätze in Zukunft herkommen könnten, unbeantwortet.

Barbara Weiler, EU-Abgeordnete, klärte darüber auf, dass Europa bei der Elternzeit die Väter mit einbeziehen will. Derzeit nehmen 3 % der Väter in Deutschland und 30 % in Schweden Erziehungszeit in Anspruch. Die große Wahlfreiheit sei nicht finanzierbar. Gemeint war hier wohl die Lohnfortzahlung bei Kindererziehung. In Belgien sei trotz angespannter Haushaltslage die Betreuung von Kindern unter und über 3 Jahren kostenlos. Deutschland gehöre zu den Schlusslichtern bei der Finanzierung von Kindern. Die in Deutschland diskutierte Wochenarbeitszeit von 50 Stunden sei mit Europa nicht machbar, die europäischen Arbeitsstunden seien festgeschrieben (Zahl habe ich leider nicht mitgeschrieben, aber ich meine, es wäre von 42 Stunden die Rede gewesen).

Gabi Becker von den paritätischen Wohlfahrtsverbänden bemängelte, dass Behinderte häufig mit bis zu 12 Ansprüchen an diverse Behörden befasst seien. Sie könnten diese kaum selbst umsetzen. Dadurch sei Hilfe von sozialen Diensten zusätzlich notwendig. Bei Krankheit würden die hohen Kosten auf die letzten 1-2 Lebensjahre entfallen, egal wie alt jemand sei. Da der Lohnanteil seit einigen Jahren sinke, seien die Einnahmen insgesamt gesunken. Die derzeit von Politikern vorgeschlagene "Kopfpauschale" würde eine zusätzliche Belastung bei schwachen Einkommen und unangemessenen Arbeitsaufwand bei Freistellung bedeuten. Ihrer Meinung nach würde eine Bürgerversicherung die Leistungsfähigkeit eher ansprechen und mehr Einkommen erfassen.
Man müsse die Volkskrankheiten angehen und bessere Gesundheitsvorsorge betreiben. Außerdem seien zuviel Vielfalt bei Medikamenten vorhanden.
Die Pflegeversicherung sei in der derzeitigen Form nicht mehr finanzierbar. Sie dürfe nicht mehr pauschal erfolgen, ohne die Leistungsfähigkeit (Bedarfsorientierung) der einzelnen Person zu berücksichtigen und müsse entbürokratisiert werden: "Altenpflege aus einer Hand". Ein Durchschnittsverdiener erreiche heute in 26 Jahren eine Rente im Sozialhilfeniveau, das würde anhand der gesunkenen Renten später auf 32 Jahre ansteigen.

Marlies Mosiek-Müller, Ehemalige Sozialministerin in Hessen, heute Sprecherin der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung stellte diese in ihrem Vortrag vor.

Ruth Wagner, Vizepräsidentin des Hessischen Landtags, sollte eigentlich zu den Förderprogrammen an hessischen Hochschulen sprechen. Ob sie es noch tat, weiß ich nicht, da ich nach einiger Zeit den Saal verließ, weil sie von allem Möglichen sprach, nur nicht über dieses Thema.

Dr. Dagmar Eberhardt, Referatsleiterin Hessisches Sozialministerium, zog in ihrem Vortrag eine positive Bilanz zur Sicherstellung von Chancengleichheit im Reformprozess der sozialen Sicherungssysteme. Dabei würde sich das Ministerium anhand einer zieldefinierten Basis-Ist-Analyse bedienen, anhand derer man Problemen gut beikommen könne.
Hierzu gab es in der Pause von Kennerinnen der Sachlage Bedenken. Ganz so rosig sei es nicht. Die Theorie sei zwar überzeugend, mit der Umsetzung hapere es jedoch allein aus personellen und finanziellen Gründen.

Mechtild Jansen, Referatsleiterung Frauen/Geschlechtsdifferenzierte Jugendarbeit, sprach zur Bedeutung der geschlechtergerechten Bildung und Ausbildung für die zukünftigen Sozialsysteme. Sie hatte wohl einen sehr schlechten Tag erwischt. Viel Erhellendes bekamen wir nicht zu hören.

Zusammenfassend meine Kritik: Es sollte auf die Neuerungen der Sozialversicherungssysteme eingegangen werden. Das war kaum der Fall. Von "Hartz IV" war nur am Rande zu hören. Ich habe den Verdacht, dass die Referentinnen nicht erkannt haben, dass Frauen in den LFRen schon von Haus aus sehr gut informiert sind. Die meisten Dinge waren bekannt.

Interessant aus Sicht der dhg scheint mir die Information, dass lt. einem Kooperationsvertrag zukünftig zwei Delegierte ohne Stimmrecht die Konferenz der Landesfrauenräte beim Deutschen Frauenrat vertreten werden. Das kam nicht etwa zustande, weil der DF so demokratisch geworden ist, sondern weil die PolitikerInnen sonst dem DF Gelder gestrichen hätten. Für uns ist gut zu wissen, dass in den ersten zwei Jahren Ulrike Kahl-Jordan vom LFR RLP und Sigrid Isser vom LFR Hessen uns vertreten werden. Frau Kahl-Jordan ist den dhg-Frauen von unserer 25-Jahrfeier in Trier bekannt. Sie wurde von mir mit dem uns bekannten Schriftwechsel zwischen dhg und DF versorgt.

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